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Wanderfahrt Schottland (6.-20.5.2006) (aufgeschrieben und fotografiert von Siggi) Ruderer müssen schon etwas verrückt sein …
Denn wer opfert schon einen Großteils seines Jahresurlaubs, um diesen für die Bequemlichkeit an einem Sonnenstrand gegen ein ruderndes Arbeitslager und dann noch im Frühjahr in Schottland einzutauschen. Auch wenn laut Wetterstatistik für diesen entlegenen Teil Europas der Mai den wenigsten Regen verspricht, so wird doch schottisches Wetter garantiert. Michael Gattschau hatte als vielreisender Schottland - Fan bereits im letzten Herbst mit einem ausgearbeiteten Programm eine Mannschaft für sein Unternehmen auserkoren. Zu seinen Planungen gehörten im September 2005 auch die verschiedenen in Frage kommenden Gewässer abzufahren und mögliche Einsatzstellen ausfindig zu machen. Folgende Neuwasser waren in der Fahrtenplanung vorgesehen: Loch Lomond, Caledonian Canal mit Loch Lochy, Loch Oich, Loch Ness sowie Loch Awe. Wer von den Auserwählten noch die Erinnerungen an den Englischunterricht wachrütteln konnte und dann einen Blick auf den Atlas warf, der musste eigentlich neugierig genug geworden sein. Diese vom Fahrtenleiter vorbereitete Expedition nahmen dann folgende Ruderkameraden in Angriff:
Zwei Fahrtenbesprechungen - oder neudeutsch Teamsitzungen - sollten für die Abstimmung genügen. In einer Fahrtenbesprechung wurde von den Damen vehement über Anzahl und Farbe der Topflappen gerungen, während die Herren sich im Wesentlichen über Biersorten und Menge verständigten. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, die Kombüse sowie das Getränkelager voll zu füllen. Auch wenn die dortigen Preise nicht extrem hoch sind so, reißen diese doch ein empfindliches Loch in der Fahrtenkasse. Die letzten freien wichtigen Funktionen wie Einkäufer, Kassenwart, Schriftführer wurden in dieser Sitzung auch noch vergeben.
Wie vorgesehen erfolgte am Freitag vor der Abfahrt die Verladung der Boote und Zubehör. Der von Gabi und Sven eingekaufte reichliche Proviant musste gut verteilt in Bootshänger und Bussen seinen Platz finden.
Newcastle empfing uns nach ca. 16 Stunden Fahrtzeit auf ruhiger See am Sonntag früh mit Nieselregen und kühlen 15°C. Vor uns lagen etwa 320 km Autofahrt bis zum ersten Etappenort Rowardennan Lodge. Die letzten 11 Kilometer von Balmaha aus sind auf einer sehr hügeligen einspurigen Straße mit Ausweichstellen zu absolvieren.
Für die Schottlandunerfahrenen war dann noch der Umgang mit dem Bettzeug einzustudieren. Kopfkissen und Bettdecke sind schon bezogen. Man kann vermuten – noch vom Bettgast vorher. In das Laken, das man jetzt frisch zugeteilt bekommt, ist das Kopfkissen einzufädeln und zum Schlafen steckt man seinen Unterkörper wie bei einem Schlafsack hinein. Der eine oder andere hatte hier seine Anlaufschwierigkeiten, damit klar zu kommen. Die Ergebnisse waren an aufgerissenen Lakensäcken sichtbar.
Die zwei darauf folgenden Tage sollten aber für die rudersportliche Erkundung des wunderschönen Sees genutzt werden.
Am zweiten Loch Lomond – Rudertag präsentierte sich das Wetter überhaupt nicht schottisch. Wärmende Sonne und fast Windstille bescherte uns einen wunderschönen Trip in Richtung Süd um einige be– und unbewohnte Inseln auf der Höhe vom Ort Balmaha. Auf der Rücktour wurde Rast an einem kiesigen Strand gemacht. Für den Aus- und Einstieg waren die im Handel erhältlichen Gummischuhe sehr von Nutzen und deshalb für „unsere“ schottischen Gewässer sehr zu empfehlen. Von einigen Kameraden wurde die Pause zum diesjährigen Anbaden genutzt.
Mit Wehmut hieß es tags darauf bei wunderschönem Wetter Abschied vom herrlichen Loch Lomond zu nehmen. Ziel der nächsten Etappe war der Caledonian Canal mit den Seen Loch Lochy, Loch Oich und Loch Ness. Der Weg führte durch die Cairngorm Mountains, einem sehr schönen Berggebiet mit Birken bestandenen Mooren und kleinen Seen.
Von den umliegenden Bergen war am darauf folgenden Tage nicht viel zu sehen. Nebel, Regen, Gegenwind und kühle 8°C sorgten nicht gerade für verlockende Bedingungen. Ziel dieser Tagesetappe war nach Kanalfahrt und Überquerung des Loch Lochy als Liegeplatz ein waterplace am Loch Oich. Vor dem Loch Lochy war noch eine Schleuse mit einem Hub von etwa 4 m zu bewältigen. Für den dortigen Schleusenmeister musste eine Rudererflotte was etwas ganz neues gewesen sein, denn er wollte uns dazu bewegen, die Boote zu verlassen und die Schleusung an Leinen zu vollziehen. Nach langen Diskussionen ließ er doch von seinem Plan ab und vollzog mit der ihm am langsamsten zur Verfügung stehenden Füllgeschwindigkeit den erhofften Aufwärtshub. Die Steuerleute hatten nach dem Anlegen dann beste Gelegenheit sich an Land mit Dauerläufen zu erwärmen. Der Blick auf den Loch Lochy war dann wenig optimistisch. Der genau von vorn kommende Wind hatte Schaumkämme aufgebaut. Der See, der sich fast gerade in NE-/SW – Richtung erstreckt, bot keine Deckung von Land. Die Überquerung des Sees wurde daraufhin erst einmal zurückgestellt und sollte nach der Mittagspause, die wir in einer Wirtschaft in Spean Bridge genossen, probiert werden. Der Wind hatte offenbar nachgelassen und die Flotte setzte sich in Bewegung. Doch der Schein trog. Der nach wie vor direkt von vorn kommende Wind frischte wieder auf. Wider Erwarten nahm gerade „Onkel Paul“ sehr viel Wasser über, so dass der 3 km lange Ausflug auf den See beendet werden musste. Die Zweier wurden an den Stegen vertäut oberhalb der Schleuse im Wasser belassen.
Der Loch Ness zeigte bei Sonnenschein leichte Kräuselwellen, was bei uns die stille Hoffnung zur unbeschadeten Überquerung des Loch Lochy aufkommen ließ. Leider mussten wir bei Erreichen der Einsatzstelle an der Schleuse Gairlochy Lock die traurige Feststellung machen, dass unser Vorhaben wieder mal nicht möglich sei. Kalau hatte sich natürlich ein Ausweichprogramm ausgedacht – eine samstägliche Wanderung entlang des Caledonian Canals nach Fort William zur Ben Nevis Distellery. Der Kanal überquert einige Flüsschen und Bäche, die den nahen River Lochy speisen. Überhaupt war die vor etwa 200 Jahren vollbrachte Ingenieurbaukunst wie Kanalbrücken und Drehbrücken sehr schön zu besichtigen.
Das Gelände entpuppte sich aber als Privatgelände. Von einem Verwalter dieser nicht einmal extravaganten Einrichtung wurden wir mit sehr energischen Hinweisen nach Polizeidienstleistungen von der guten Einsatzstelle vertrieben. Nicht weit zurück konnte oberhalb der Schleuse Laggon Lock ein gleichwertiger Bootsplatz ausfindig gemacht werden.
Der folgende Sonntag machte seinem Namen keine Ehre, aber es war trocken und die Temperatur bewegte sich wieder im anfänglichen zweistelligen Bereich. Historic Scotland verleitete uns zwischendurch zu einer Besichtigung einer alten Gewölbebrücke in Invermoriston. Leichter Schiebewind auf dem Loch Oich sorgte für forsches Vorankommen. Nach Passierung der Schleusen Cullochy Lock und Kytra Lock verließen wir damit den Scheitelpunkt der Lochverbindung, es geht wieder abwärts. Und was erwartet uns nach dieser Schleuse?
Der darauf folgende frühe Morgen empfing uns mit Wolken, Regenschauern, kühlen Graden und etwas Wind. Jedoch ließen es sich ab 05:00 Uhr insgesamt vier Mannschaften nicht nehmen den See des Ungeheuers Nessie mit einer Kurztour zu befahren. Nach etwa sieben Kilometern in Richtung Ft. Augustus erfolgte der Mannschaftstausch. In aller Eile wurden die Boote abgeschlagen und verladen und nach dem Frühstück konnte der Konvoi die Fahrt in Richtung des nächsten Etappenorts aufnehmen.
Am darauf folgenden Dienstag ging es mit den Bussen zur Einsatzstelle am Loch Awe. Beim Vorbereiten der Boote erschien der Besitzer der Hotelanlage und machte uns mit Bestimmtheit deutlich, dass ihm auch die Einsatzstelle gehört. Mit der Übergabe von zwei Flaschen Berliner Pilsner und der Entrichtung von 36 ₤ wurde uns die Lagerung der Boote für drei Tage erlaubt.
Wenn auch zähneknirschend - die Situation war bereinigt. Gegen Mittag konnte dann endlich die Ruderfahrt in nordöstliche Richt beginnen.
In der Karte war noch eine Fährverbindung vom nahen Ort vermerkt. Die Passage mit dem Motorschiff muss nicht so attraktiv gewesen sein, denn die Fähre war eingestellt. Dafür war der Steg direkt unterhalb des Castl super in Schuss. Auf der Burgzinne wurden die Flaggen der teilnehmenden Vereine präsentiert. Für das folgende Anlegen im Ort Loch Awe konnten wir vorzüglich den dortigen Pier nutzen. Unser Busfahrer hatte gemäß Absprache nahe dem dortigen Bahnhaltepunkt die Pausenversorgung bereitgestellt.
Die restlichen zwei Ruderkilometer bis zum Hotelhafen sollten die letzten dieser Schottlandtour gewesen sein. Das Champions-League-Endspiel konnten die Fans im nahen Pub verfolgen. Im Programm war noch ein Rudertag mit einer kurzen Puscheltour vorgesehen. Das wäre ohnehin nicht möglich gewesen, denn Rasmus trieb heftig die Wolken über den Fjord (Loch Fyne) auf Inveraray zu. So war der letzte volle Tag in Schottland für jeden zur freien Verfügung. Inveraray offenbarte sich als ein richtiger Touristenort. Ein Dudelsackspieler in entsprechender Montur zelebrierte in fast gleicher Liedfolge den in etlichen Bussen herangekarrten Touristen seine Künste. Am Ortsrand war das Schloss des Campbell Clans zu besichtigen, was aber wegen des Eintrittsgeldes nicht wahrgenommen wurde. Eine Wanderung zum Aussichtsturm trug zum aktiven Tageserlebnis bei. Von hier oben lohnte sich der Blick auf den Fjord und die an eine Filmkulisse erinnernde Stadt.
Weil eine mehrtägige Rudertour nicht ohne wenigstens eine Auswertung auskommt, wurde diese nach der abendlichen mit reichlich Knoblauch gespickten Suppe vorgenommen.
Am Freitag hieß es dann wieder rechtzeitig aufzubrechen, um die Fähre in Newcastle zu erreichen. Der Baume-Bus fuhr voraus, denn die Rennsteigläufer Beierlein und Ralf mussten zum Flughafen Glasgow chauffiert werden. Der Konvoi vereinigte sich eine Raststätte südlich Glasgows. In Corbridge (20 km vor Newcastle) musste unbedingt nachgetankt werden, weil der Durst des Zugfahrzeuges unterschätzt wurde. Wegen der engen Straßen musste der Hänger auf dem Marktplatz abgehangen werden und wir verursachten damit einen kleinen Stau. Das Fährterminal wurde überpünktlich erreicht. Die „King of Scandinavia“ lag schon bereit und rechtzeitig mit dem Ablegen öffnete sich für uns die Futterluke. Ein letztes Mal war nun die angesagte Gelegenheit, die extra für die Tour angefertigten Ausgeh – T-Shirts zu präsentieren.
Kühle 11°C, starker Wind und heftige Regenschauer empfingen uns auf dem Festland und sollten uns auch während der Heimfahrt begleiten.
Auf den schottischen Gewässern haben wir insgesamt 146 km gerudert. Das liegt weit ab von der Zielstellung: ca. 230 km. Aber das Kilometerschrubben stand nicht auf der Tagesordnung, sondern Land und Leute kennen zu lernen.
Eine ausführliche Nachlese dieser sehr schönen Fahrt haben wir uns ganz fest vorgenommen. Der eine oder andere Whisky wird dann sicherlich probiert. |
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